01. September 2015
Tag 1 – Reisetag.
Hamburg – Frankfurt – Bogota
Nach hektischem Räumen der letzten Tage befinden wir uns im Endspurt. Um sechs Uhr klingelt der Wecker, es wollen noch einige Kisten gepackt werden, die Betten abgezogen und weitestgehend alles für die Untermieterin (auch das hat am letzten Ta noch geklappt!) vorbereitet werden.
So wühlen wir uns nach kurzer Nacht durch Kisten, packen die letzten Teile ein bevor die Familie als Flughafen-Shuttle ankommt.
Alles drin, alles dabei? Ja, wir denken schon.
Der Abschied am Flughafen fällt erwartet schwer und kurz überlegen wir, wer sich das eigentlich alles ausgedacht hat. Dennoch, kein Grund, den Schwanz einzuziehen. Vielmehr ein Grund, endlich Richtung Sicherheitskontrolle und Boarding zu kommen. Sonst gibt’s karibisches Flair ohne uns.
Wir kommen ohne große Zwischenfälle bei Station I, Frankfurt, an. Kurzes Nervengezerre im Flieger, als im Wechselchor die beiden Kleinkinder in Reihe 4 und 6 monotone Beschallungssalven abfeuern. Nein, Kekse helfen nur bedingt in diesem Falle, die sorgen für einen hohen Zuckerspiegel, ergo weiter plärrende Kinder. Die armen Eltern – wir lächeln herzlich rüber und versuchen uns nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Und wenn die süßen Racker im Landeanflug endlich einschlafen….
Wir sind dennoch bester Laune, steht uns doch der Langstreckenflug noch bevor, also auch die Chance auf einen störfreieren Flug.
Mit einer nur halbstündigen Verspätung dank defekter und frisch ausgetauschter Landeleuchte und schlechtem Wetter erheben wir uns wieder in die Lüfte. Erneut zerrt ein schlecht gelauntes Kind am Nervenkostüm seiner Eltern und der knapp 300 Passagiere des A340-600, aber als wir uns mit Gin Tonic und Weißwein zuprosten, ist nur noch Vorfreude auf die Reise übrig.
Ein paar Filme später für den elbmonsieur und der Hobbit III später für mich, wage ich mich das erste Mal an die Urlaubslektüre und habe mit der angenehm flapsigen Lufthansa-Stewardess sogleich Freundschaft über der Allergen-Tabelle des Bordmenüs geschlossen.
Bogota, wir kommen!
Nach der Landung…
Die Einreise klappt problemlos, wir stehen nur kurz bei der Einreise mit ein paar anderen hundert Passagieren an. Doch nachdem weder der kolumbianische Drogenspürhund in unserem (zum Glück ebenfalls angekommenen) Gepäck verdächtiges Material erschnüffelt hat, noch der Beamte am Schalter etwas gegen unsere Einreisepläne einzuwenden hat, suchen wir nach einem Taxi.
Schnell gefunden ist ein vertrauenswürdig aussehender kleiner Kolumbianer, der mit seiner Klapperkiste eindeutig richtig steht für uns: in der Schlange der autorisierten Taxis. Geschwind wie der Wind sausen wir durch den stockdunklen frühen Abend, der Fahrer klemmt dabei hellwach 30 cm hinterm Lenkrad.
Beim Hostel Alegria werden wir sehr freundlich empfangen und gleich auf Spanisch mit den nötigsten Infos versorgt. Wir verstehen trotz vorbereitender Spanischlektionen exakt 7,8% des Ganzen und wünschen uns Google Translate her. Doch mit Händen und Füßen und einigen Schlagworten ist am Ende klar, welche Straßen gemieden werden müssen und in welchem Gemeinschaftsbad des Hauses sich auch warmes Wasser befindet. Wir fallen todmüde ins Bett und entdecken, kurz bevor uns die Augen zufallen, bei einem Blick aus dem Fenster das Lichtermeer der Stadt und erhalten damit eine Idee der Größe dieser pulsierenden Metropole.
02. September 2015
Tag 2-4 – Bogotà
Akklimatisation
Bis auf kleine, der Zeitverschiebung zuzuordnende, Unterbrechungen der Nacht, wachen wir um 6:00h Ortszeit auf. Als wir um 8:00h tatsächlich bewusst die Zehen aus dem Bett und Richtung Dusche strecken, schüttelt es uns kurz. Doch doch, ist recht frisch hier nachts.
Wir reihen uns in die Schlange der Gäste ein, die natürlich ebenfalls alle duschen wollen – und es wird nach Betreten der Nasszelle klar, weshalb der frühe Vogel hier eindeutig den Wurm fängt. Das nur noch lauwarme Rinnsal setzt den Kreislauf effektiv wieder in Gang, während ich – typisch Frau – jeden Kontakt mit dem glitschigen Duschvorhang und nicht weiter identifizierbaren Spuren an den Fliesen vermeide.
Ein Glück, dass der Mann so entspannt ist, den bringt hier nur das miese W-LAN aus der Fassung und meine Fragen nach den giftigen Insekten der Region.
Wir begeben uns nach einem kurzen Schluck aus der herbergseigenen Kaffeekanne und Plausch mit anderen Gästen, auf Erkundungstour.
Dick eingepackt gegen den Regen und auf der Suche nach Frühstück streunen wir durch die Straßen, bergauf, bergab. Leicht kurzatmig aufgrund der Höhe von 2.500m. Die Stadt bietet wunderschöne alte Hausfassaden und Reste des Kolonialstils sind auch zu erahnen.
Schließlich kehren wir hungrig in ein Café am Straßenrand des Zentrums ein. Die Kaffeebestellung klappt problemlos auf Spanisch, die Essensbestellung ist hingegen ein Abenteuer. Nun gut, so lange da nix von Tomaten und Artischocken steht, bestellen wir einfach mal zwei verschiedene Desayuno (Frühstück). Es kommt: ein Spiegelei in der Alupfanne mit Brot für – lecker – und: hm, ein Bananenblattsäckchen mit Fleisch und Mais-Kartoffel-Kern. Interessant! Anfängliches Misstrauen gegenüber der Verpackung wird schnell vom Entdeckergeist abgelöst. Kann man essen, das Zeug. Als Marmeladenbrötchen-Frühstücker keine wirkliche Alternative, dennoch ein mehr als interessanter Geschmack und offensichtlich sehr nahrhaftes Nationalgericht.
Das Museo del Oro – Goldmuseum – der Stadt zeigt viele filigrane und geschichtsträchtige Exponate, die wir uns für umgerechnet knapp einen Euro gönnen. Eine schöne Ausstellung, die sich durchaus lohnt – es soll sogar das beste Goldmuseum des Landes sein.
Es retten uns in unserem Jetlag-Gemurksel nur die leckeren Empanadas der herzlichen kolumbianischen Ladies aus der Nachbarschaft, aus dem Amaranth y Quinoa. Nachdem wir die abenteuerliche Stiege, die mitten in der Küche auf eine Zwischenebene führt, erklommen haben, sacken wir glücklich im Stuhl zusammen. Unser grausiges Spanisch hat zum Glück keine weitreichenden Folgen, es kommt das erwartete Essen – und schmeckt ziemlich gut! Aber wir nehmen uns vor: das muss besser werden. So schaffen wir es auch wieder zurück ins Hostel ohne in eins der zahlreichen Löcher im schmalen Gehweggedränge zu treten. Der Diebstahl der gusseisernen Kanaldeckel ist hier ein einträgliches Geschäft, wie wir aus unserem Reiseführer erfahren.
Der letzte Tag in Bogotà muss natürlich auch noch mit ein wenig Ausblick angefüttert werden, wir haben uns schließlich auch langsam aber sicher an die Höhe gewöhnt und sind weniger kurzatmig. So machen wir uns schließlich auf, den Hausberg der Stadt, den Cerra Montserrat, zu erkunden. Eine kleine Bergbahn führt steil in die Höhe und bringt uns für umgerechnet 5 EUR pro Person zu einem atemberaubenden Aussichtspunkt oberhalb der Stadt. Hier genießen wir unter vielen anderen Touristen und Locals sowie mit ausreichend Polizeischutz am Wegesrand den Blick in die Tiefe auf den Hexenkessel der Hauptstadt. Die Stadt ist unglaublich groß, wie man von hier oben begreift. Wenig Grün, viele flache Häuser und ameisengroße Autos hetzen durch die engen Straßen und an den wenigen freien Plätzen vorbei.
So nett Alegria’s Hostel auch ist, nach einer weiteren Nacht und einem arbeitsreichen Tag im Coworking Space „Atomhouse“ von Bogotà sind wir ziemlich erfreut uns gen Küste, Santa Marta, aufmachen zu können. Eine Menge Reisetipps der freundlichen Hostelbesitzerin im Gepäck. Die Ticketbuchung bei Expresso Brasil klappt hervorragend und wir erwarten eine 18-stündige Fahrt in die Karibik über eine abenteuerliche Bergetappe. Vorgewarnt durch verschiedene unabhängige Quellen hüllen wir uns wieder in Fleecejacke, dicke Jeans und Wanderschuhe – denn es soll kalt werden im Bus. Auch die Pipi-Pausen seien rar, von kulinarischen Zwischenstopps ganz zu schweigen. Wir steigen also gut gerüstet um 15h Ortszeit in den komfortablen Bus, guter Dinge dank hervorragender Vorbereitung.
Ein sehr netter Taxi-Fahrer bringt uns zuvor in seinem zuverlässigen und im deutschen Vergleich ähm verkehrssicheren Taxi (immerhin hat er schwerst glänzende Alufelgen) zum Busbahnhof. Der junge Mann ist unglaublich nett, total interessiert und wieder bereuen wir unsere rudimentären Spanisch-Kenntnisse. Dennoch, über Fußball und Wetter sprechen funktioniert auch mit wenigen Worten, viel Gestik und entscheidenden Schlagworten und Namen. Als quasi Weltmeister ernten wir wohlwollende Blicke, während er sich hupend durch den Verkehr schlängelt. Überhaupt, warum scheint eigentlich jeder kolumbianische Autofahrer eine dauerhafte und gut gehende Beziehung mit seiner Hupe zu haben? Wozu gibt es Vorfahrtsregeln? ;-)
Als wir nach gut einer Stunde Busfahrt und Stau den Ortskern von Bogotà hinter uns lassen und die Landschaft vor dem Fenster sich etwas entzerrt, atmen wir auf. Zuerst durchqueren wir sehr arme Viertel, die uns vor Augen führen, welch privilegierte Existenz wir eigentlich pflegen.
Es wird anschließend bergiger, die Straße führt nun in Serpentinen durch das bergige Umland, als wir unsere Reisehöhe von gut 2.500m verlassen. Herrlich, der weite Blick – und wir werden mit einem tollen Sonnenuntergang belohnt während wir uns auf der viel befahrenen Straße an Hütten, Menschen und Straßenhunden vorbeischlängeln.
Die Fahrer wechseln währenddessen, wie der elbmonsieur beobachtet, sogar bei rollender Fahrt den Sitz – ein eingespieltes Team. Das Team bewährt sich wieder, als gegen 19h die Klimaanlage im Bus den Geist aufgibt und wir für eine einstündige Zwangspause im Nirgendwo halten. Die Karawane an Tanklastern, die uns schon die ganze Zeit durch die Berge begleitet, macht nun einige Meter Boden gut, während wir der kolumbianischen Straßenverkäuferin beim Säfte mixen zuschauen. Da kommt Durst auf – doch da wir den Busfahrer nicht richtig verstanden haben, gehen wir auch nach 40 Minuten noch von einer „kleinen Pinkelpause“ aus und trauen uns kaum nach draußen.
Nun gut, Zeit für meine Reisebegleitung, sich mit der zuckersüßen kleinen Kolumbianerin hinter ihm anzufreunden. Sie ist gut ein Jahr alt und zeigt sich fasziniert von blondem Haar. Was sich darin äußert, dass sobald Mama sie davon abhalten möchte sein Haupthaar zu zwirbeln, in Geschrei mündet. Aber der Mann hat die Kleine ins Herz geschlossen und überlässt sich gern ihren fachkundigen Händen.
Als wir uns – so gut integriert in unsere kleine Reisegruppe – dann nach 20 Stunden endlich bei 33 Grad und 75 % Luftfeuchtigkeit aus dem Bus schälen hat sich das Bild verändert: Palmen, Bananenplantagen und blauer Himmel.
Wo bitteschön geht’s hier zum Meer?
Ach ja, Fun fact: wer denkt, dass deutsche Synchronisation dem Originalton nicht gerecht wird, der sollte sich auf KEINEN Fall spanisch synchronisierte Filme anschauen. Steven Seagal und Fast & Furious 7 waren nur einige der Highlights, die wir direkt unter dem Lautsprecher sitzend erleben durften. FSK ab 12 Jahren? Das interessiert hier niemanden, da müssen die Kleinkinder halt durch. ;-)
Und wie beschreibt Andreas Altmann in unserer aktuellen Reiselektüre „Reise durch einen einsamen Kontinent“ so schön seine Busfahrten in Kolumbien: „Wer das [Filme] als Kind sieht (zugelassen ab 6 Jahren), kann nur noch glauben: Die Welt ist ein Schlachthaus, […]. Die geistige Armut, sie scheint auch nach Überwindung wirtschaftlicher Armut zu bleiben. Hier im Bus sitzt kein bedürftiger Mensch, jeder ist sauber gekleidet, viele mit Mobiltelefonen,[…] . Aber die Armut im Kopf ist geblieben. Nicht einer, der liest oder neugierig durchs Fenster blickt oder sich mit seinem Nachbarn unterhält. Aber alle schlafen mitten am Tag oder glotzen [TV].“ (2007). Stimmt, hier zeigt leider niemand Interesse an der Landschaft oder unterhält sich.
Tag 5-7 – Santa Marta, Kolumbien
Wir müssen mehr trinken!
Santa Marta – juhu! Uns erwartet der erste Testlauf in kurzen Hosen, lauschige Abende in der herbergseigenen Hängematte und Strand.
Der Supermarkt für den Wasserbedarf (in den ersten 24h immerhin 5 Liter) und erste Frühstückseinkäufe ist schnell gefunden. Der Schweiß läuft in Strömen und wir erfreuen uns an der Wärme und Sonne. Irgendwie ruhiger, besser, schöner, finden wir.
…Fortsetzung folgt…
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Nora sagt:
Liebe Jasmin,
Eure ersten Eindrücke hören sich echt interessant an und ich bin schon gespannt, was Ihr weiterhin erlebt. Danke, dass Du uns an Eurer Reise teilhaben lässt :)!
Liebe Grüße aus dem grauen Deutschland,
Nora
Mareike sagt:
Hallo Jasmin,
vielen Dank für diesen tollen Einblick!
Ich wünsche Dir noch viele großartige Erlebnisse!
shadownlight sagt:
was für wundervolle eindrücke. ich beneide dich um die schönen momenten, die du dort erleben darfst! toll!
liebe gruesse!
ina sagt:
so schön dass du uns auf euere tour mitnimmst und deine eindrücke teilst! ich verfolge euch auch schon fleißig bei instagram und bin jedesmal begeistert von der natur die ihr dazu sehen bekommt!
Sarah Gerhardt sagt:
Hallo Jasmin,
ich bin eine Freundin von Anni Schubert und da ich nächsten Sommer auch nach Südamerika fliege, hat sie mir von deinem tollen Blog erzählt.
Da du in diesem Beitrag ein paar Mal euer Spanisch erwähnst: Wie viele Kurse habt ihr besucht bzw wie lange gelernt?
Euch noch eine tolle Zeit!
Sarah
Jasmin sagt:
Hallo Sarah,
das klingt sehr schön, wohin soll es denn bei euch genau gehen?
Wir haben nach Abwägung der Kosten, des Anlasses und der zur Verfügung stehenden Zeit auf Empfehlung eines Freundes zu zweit private Stunden genommen. Die Sprachschulen mit ihren Kursen und unpassenden Terminen waren leider sehr teuer.
Wir haben dann zweimal die Woche 90 Minuten circa 4 Wochen lang Unterricht gehabt. Es its schon wichtig ein paar Basic zu beherrschen, da Englisch außerhalb der Touristenzentren nicht wirklich verbreitet ist.
Liebe Grüße,
Jasmin
Sarah Gerhardt sagt:
Ah, dann ist ja gut. Ich habe vor 10 Jahren mal Spanisch gelernt und frische das gerade wieder in nem Kurs auf. Die Basics werde ich bis zum Sommer dann wohl wieder drauf haben.
Erst Bolivien und dann Peru! Sind 4 bis 5 Wochen unterwegs.. Macht ihr auch noch Bolivien? Peru war bei euch ja nur ein kurzer Stopp, wenn ich das bei Instagram richtig verfolgt habe..
Jasmin sagt:
Hi Sarah,
sorry, ich hatte eigentlich längst geantwortet, aber das Internet hat meinen Kommentar auf dem Weg wohl verschluckt.
Ja, wir waren auch in Bolivien, allerdings verhältnismäßig kurz. Ich zeige bald aber mehr davon, erstmal war Peru noch dran, bevor wir rübergefahren sind. :-)
Liebe Grüße,
Jasmin
Sarah Gerhardt sagt:
Schön, dann freue ich mich auf den Bolivien Bericht und auch die nächsten herrlichen Südamerika-Eindrücke! Eure Patagonien Bilder sind gerade ein Traum.. Viel Spaß weiterhin!
Jasmin sagt:
Dankeschööön! :-)
Men-Lao sagt:
Echt interessanter Artikel über eure ersten Eindrücke. Südamerika muss ich auch mal bereisen, war bisher lediglich in Kuba. Das war schon ein Toller Urlaub – Die Strände, beste Zigarren der Welt und der Rum, fast unschlagbar. Viel Spass auf der weiteren Reise! ;)